Filmkritik: Pixars Coco – Lebendiger als das Leben



Diese Woche startet Pixars neuestes Werk Coco – Lebendiger als das Leben in den deutschen Kinos und schafft das, was Pixar in seinen Anfangsjahren noch mit jedem neuen Film vollbracht hat: Das Potential zu haben zum Klassiker zu werden.

Pixars Standing als Non-Plus Ultra der Animationsbranche musste mit den Filmen der letzten Jahre immer wieder hinterfragt werden. Nach dem 2010er Glanzstück Toy Story 3 konnte eigentlich nur der brillante Alles steht Kopf den rigorosen und unverschämt hohen Qualitätskriterien standhalten, die sich das Studio den ersten 15 Jahren selbst aufgebaut hat.

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Pixars Sequel Fluch

Unter den 8 Filmen, die das Studio seit 2010 rausbrachte, befanden sich gerade einmal 3 neue Werke. Die restlichen 5 Streifen waren allesamt Sequels. Und mal abgesehen vom beschämenden Cashgrab Cars 2, fühlten sich Filme, wie Merida – Legende der Highlands oder Findet Dory zwar gut an . Doch am Ende war da immer das Gefühl, dass entweder ein Quäntchen zum Klassiker fehlte oder dass man das alles schon mal gesehen hatte.

Diesen Tropfen, der dem Sahnehäubchen die Kirsche aufsetzt, ist ENDLICH wieder gefunden worden. Für wie lange: Wir wissen es nicht. Aber zumindest für einen kleinen Moment schafft Coco das, was X-Pixar-Sequels nicht hinbekommen haben. Einem Film eine richtige Seele zu verleihen, sowie einen Tiefgang und eine Herzlichkeit in Story und Charakter zu finden, den wir noch von großen Filmen, wie Ratatouille oder Wall-E kennen.

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In Coco – Lebendiger als das Leben heißt der Hauptcharakter nicht Coco, sondern Miguel, ist 12 Jahre alt, lebt in Mexiko und träumt davon, wie sein Idol, der legendäre Singer- Songwriter Ernesto de la Cruz, ein Musiker zu werden. Kleiner Haken an der Sache: In seiner Familie ist seit mehreren Generationen jegliche Art von Musik verboten. Deswegen nimmt Miguel wütend am Tag der Toten reiß aus, um am Talent-Wettbewerb im Dorf sein Können unter Beweis zu stellen. Leider landet er bei dem Versuch versehentlich im Land der Toten und muss nun bis Sonnenaufgang versuchen, den Segen seiner musikverachtenden verstorbenen Familienmitglieder zu erhalten, um sich nicht a’la Marty McFly aufzulösen und nur noch als Skelett im Reich der Toten rumzurennen. Dabei wird er von dem Tunichtgut Hector begleitet und seinem Straßenköter Dante.

Gaaanz viel Herz

Was folgt, ist ein kurioser und brillant visualisierter Trip durch das fantasievolle Land der Toten. Gut… zugegeben. Die Story (die ich jetzt nicht vorwegspoilern will) ist einigermaßen voraussehbar und wird sicherlich keine Preise gewinnen. Was wie immer bei Pixar zählt, ist der Weg zum Ziel und wie die Charakter diesen bewältigen. Mit viel Charme und Humor wird die Totenwelt in all ihren Facetten. Sei es der Totenreich eigene Talent-Wettbewerb, in dem auch schon mal der ein oder andere Schädel den Skelettkörper wechselt oder die allgemeinen Regeln, warum man im Land der Toten auch „sterben“ kann. Das klingt morbide, wird aber immer kindgerecht und liebevoll inszeniert.

Miguel ist dabei sowohl für Erwachsene, als auch Kinder die ideale Identifikationsfigur, die dem Zuschauer zeigt, wie wichtig zwar die Familie, aber auch die eigene Selbstverwirklichung sein kann. Hector, sein Totengefährte, der versucht, nicht vergessen zu werden, weil er sonst für immer verschwindet agiert stets als gewitzter Sidekick, der sich nicht entscheiden kann, ob er nun sich selbst oder Miguel helfen soll. Und Dante (den man schon aus dem vorfilmartigen Trailer „Dantes Lunch“ kennt) gibt den typischen Comic-Relief. Und auch jedes andere Mitglied der lebenden und toten Großfamilie fühlt sich durchweg sinnvoll und gut durchdacht an.

Pixars Fantasieschmiede

Optisch spielt der Film sowieso in seiner eigenen Liga. Nur Alles steht Kopf kann diesem Feuerwerk von Farben und Formen noch standhalten (in der Hinsicht ist auf Pixar Verlass). Wie auch am Original Día de los Muertos erblüht Mexiko in Girlanden, Feuerwerken, Blumen und Kerzen. Ob das Ganze mit genug Feingefühl gegenüber der mexikanischen Kultur umgesetzt wurde, kann ich nicht bewerten, sondern vertaue da einfach auf Pixars Kompetenz. Es fühlt sich jedenfalls nicht so an, als ob jemanden auf die Füße getreten wurde. In Mexiko selber ist der Film zudem bereits der erfolgreichste Animationsfilm aller Zeiten.

In the emotional Groove

Musikalisch fischt Pixar ein klein wenig in Disney Gewässern. Denn die Musik ist an jedem Punkt des Films, passend zur Story, ein wichtiger Faktor, der nicht nur für kleine Ohrwürmer sorgt, sondern auch zu einigen der emotionalsten Momente von Coco führt. Dabei sind die Songeinlagen klein genug, dass sich kein Feind von Disney Musicals davor fürchten muss. Und neben der Story, den Charakter und der Optik ist das eben benannte Sahnehäubchen einfach die Emotion, die der Film in einem hervorruft. Es gibt einen Moment am Ende, der mit der Introszene von Oben oder der Kritikererleuchtung in Ratatouille locker mithalten kann und es schafft dieses Bewegtbildwerk in der eigenen Erinnerung immer und immer wieder aufleben zu lassen.

Dafür solltet ihr euch den Film aber selber ansehen. Als großer Pixar Fan gebe ich vielleicht etwas zu viele Lorbeeren ab und lobe den Film in ein paar zu höhenlastige Gefilde. Aber trotz der vorhersehbaren Story, den manchmal allzu simplen Dialogen oder den ein bis zwei Längen im Mittelteil, die andere Kritiker gesehen haben wollen: Ich bin mit einem warmen wohligen Gefühl der Zufriedenheit und einem kleinen Tränchen in den Augen aus dem Kino gekommen. Und das ist es, was für mich einen Film rund macht und den ich mir wieder und wieder ansehen kann.

Es sind genau diese Eigenschaften, die Pixar Klassiker ausmachen und die man sich auch nach Jahren gerne in den Blu-Ray oder DVD Player schiebt.

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